Der Herbst

©Gertraud Schnabel

Ich spüre ihn, wie er kommt, der Sturm, er tobt in meinem Garten, aber auch in mir. Ich spüre den Herbst meiner Gedanken! Viele sterben einfach ab, haben im Frühling so verheißungsvoll begonnen, sind aufgeblüht zu wahrer Pracht, doch jetzt, bevor ich sie noch ernten konnte, hat ein Sturm sie weggefegt! Nicht jede Blüte des Frühlings ist im Herbst eine Frucht geworden. Doch auch viele Blüten, wo es nicht danach aussah, sind reif geworden und schmecken herrlich!

Grau ist es geworden rund um mich, obwohl ich noch das eine oder andere Leuchten feststellen kann. Die Blätter sind es, die der Sonne noch die Kraft huldigen, die sie bald nicht mehr haben wird. Denn auch sie, die Sonne muss zugeben und sich eingestehen, dass es Zeit wird anzuerkennen, dass die Kraft nachlässt. Das es an der Zeit ist, wieder etwas in den Hintergrund zu treten, um woanders strahlend zu leuchten. Was nicht bedeutet, dass die Sonne selbst an Kraft verliert, nur dort, wo sich der Herbst die Vorherrschaft sichert, dort ist es an der Zeit kürzer zu treten, nur mehr selten zu scheinen. Bewusst werden zu lassen, wie kostbar das Licht ist, wie viel grau es zu besiegen mag, einfach dadurch, dass es ein paar Strahlen aussendet, die einem bis ins Herz berühren!

Kalt ist es geworden, was mich veranlasst nicht mehr so oft nach außen zu gehen, wenn doch, mich besser einzuhüllen, um den Wind nicht so zu spüren. Ich liebe den Herbst, ich mag ihn sehr, denn er regt mich an, mich wieder nach innen spüren zu lassen. Er zeigt mir, wie viel Leuchten aus mir kommt, wie viel Kraft in mir steckt, wenn ich produziere, Gedanken, Taten, Fotos, Geschichten, Träume, Ideen… doch zuerst im Inneren, erst später, wenn es wieder Frühling wird, nach außen. Wenn der Kreislauf wieder bei seinem Anfang beginnt.

Jetzt kommt die Zeit der Reflexion. Die Zeit, des nach innen zu gehen. Der Baum macht es uns vor, er wirft seine Verbindungen nach außen ab, um sich seine Ressourcen zu erhalten, um nicht zu viel nach außen abzugeben. 

Die Stimmung passt sich an, so wie sich die Erde dreht und sich die Jahreszeiten anpassen. Alles passt sich an, alles war schon so oft da, alles kommt wieder. Jeder Herbst ist ein Herbst, trotzdem ist kein Herbst wie der andere! Herrlich, der Nebel am Morgen, der die Spinnweben sichtbar werden lässt, die immer schon da waren, aber nur jetzt, durch die Tautropfen ans Tageslicht kommen. Für alle sichtbar, wie Worte, die zeigen, was sich alle denken, aber nur die „Bösen“ zu sagen trauen. Wer ist böse, was ist böse? Der Nebel, ja, denn er verdeckt die Sonne und macht die Spinnweben sichtbar, das, was ich in meinem Garten nicht sehen mag, das, was mir scheinbar die Schönheit vergällt. Tausende von kleiner Spinnen, die jetzt im Herbst zu leben beginnen, die ausziehen in die weite Welt, obwohl sie zuerst mit dem Verstecken beginnen müssen, bevor die Zeit der Sonne wieder kommt. Die Weben lehren mich, nach innen zu gehen, nachzusehen, wie ist es mit meinem Herbst? Lass ich wirklich nur die Sonne scheinen, die Blätter leuchten, oder ziehe ich wie ein Sturm durch das Land, fege alles ab, lasse meine Regentropfen überall das Land berühren. 

Ach ja, der Regen, kalt, nass, nicht sehr beliebt hier. Seine Tropfen können viel Schaden anrichten, doch auch viel Gutes bringen. Wenn er sanft und nährend mit Vorsicht vor sich hin tröpfelt. Nicht wie eine Sturmflut über das Land fegt, ohne Rücksicht auf Verluste!

Darf ein Baum überhaupt beginnen zu sprießen, aus einem Samen, obwohl er nicht weiß, ob er es schaffen wird, seine Bestimmung zu erfüllen? Darf er weiter wachsen, obwohl der Winter härter werden könnte? Hat es überhaupt einen Sinn, sich dem zu stellen, was die Natur so zur Schau stellt? Hat es Sinn, sich den Wetterbedingungen zu stellen, ohne dass man weiß, wie es endet, wo es hinführt, wie weit er wachsen wird? 

Baum sei! Richte deine Äste auf, lass den Sturm an dir vorbeiziehen, den Wind durch deine Blätter fegen, schenke ihm deine farbigen Blätter, die du ohnehin fallen gelassen hättest. Schenke sie ihm, damit sie tanzen beim Abgang, lass ihm den Glauben, es wäre seine Stärke gewesen, der sie abgerissen hätte. Ist es wichtig, dass der Wind weiß, dass du sie hergegeben hast. Muss der Wind von dir hören, dass du zum Schluss der Sieger bist, weil du im Frühling wieder neue Blätter bringen wirst? Lass es gut sein und beuge dich dem Augenblick, denn stehst du starr, könntest du brechen! Beugen heißt, Demut zu zeigen, da steckt Mut drinnen, dich zu beugen, du wirst wieder aufstehen. Du wirst siegen! Du bist stark! Und du wirst wachsen daran, es wird dich größer werden lassen und du wirst stolz zeigen, dass du diesen Standort verdient hast! Der Sturm kann deine Äste verbiegen, aber nicht deine Wurzeln versetzen, außer du lässt los, du lässt die Erde los und dich fallen, dann beginnt eine neue Welt für dich! Was immer sie auch bringen mag!

Der Kreislauf des Lebens! Werden und vergehen, kommen und gehen! 

Diese Gedanken widme ich allen Frauen, die es schaffen, nach jedem Sturm die Kraft zu spüren, wieder aufzustehen, die es schaffen, sich zu beugen und doch sie selbst zu bleiben. Die Widrigkeiten des Lebens zu bestehen und zu wissen, dass der Tag der Sonne unweigerlich wiederkehrt!

Vergesst nie, wer ihr seid, was ihr seid und was für euch euer Universum ist. Jedem seine eigene Welt und Wahrheit!

Vielen Dank, für die Geduld, meine Worte zu lesen. Ich wünsche euch noch einen schönen Herbst und Stürme, die ihr leicht aushalten könnt!

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